Warum gezielte UX-Verbesserungen die wirkungsvolle Alternative zum Redesign sind

Viele Teams setzen auf den großen Umbruch…und übersehen dabei die wirksamsten UX-Hebel.

Portrait von Jan Auer

Jan Auer

Senior UX Writer

Inhaltsverzeichnis

Wenn Produktteams über UX sprechen, fällt erstaunlich schnell das Wort “Redesign”.

Kein Wunder, denn (den Preis mal außer Acht gelassen) klingt es in der Theorie nach einer verlockenden Lösung. 

Einfach einmal alles über den Haufen werfen, ein strahlendes neues Interface schaffen und schon sind alle Probleme weg.

Doch in der Realität ist ein Redesign selten der einfachste Weg und nicht immer der wirkungsvollste Weg zu einer besseren User Experience. 

Ganz im Gegenteil sogar: Es ist die teuerste Lösung, dauert am längsten und beruht oft auf Annahmen statt auf Erkenntnissen.

Die gute Nachricht: 

Die größten UX-Erfolge entstehen nicht zwingend im Redesign. Denn auch kleine, gezielte Verbesserungen genau dort, wo Ihre User in genau diesem Moment hängen bleiben, können Wunder bewirken.

Sehr viel schnellere, günstigere und trotzdem merkliche und messbare Wunder!

Warum wirken Redesigns so attraktiv, obwohl sie alles umwerfen?

Stellen Sie sich vor, Ihr Fahrrad läuft nicht mehr rund. 

Würden Sie sofort ein neues kaufen?

Obwohl ja vielleicht nur der Reifen platt ist? 

Redesigns sind das neue Fahrrad. 

Ja, manchmal ist es nötig. Aber meistens ist es der falsche und teure Ersatz für den prüfenden, datengetriebenen Blick. 

Und genau deshalb scheitern Redesigns auch so oft: Sie versprechen viel, lange bevor klar ist, was überhaupt das Problem ist, das sie lösen sollen.

Neu fühlt sich an wie Fortschritt

Ein frisches Interface vermittelt das Gefühl, etwas Bedeutendes zu bewegen. Auch, wenn es komplett ohne Evidenz gebaut wurde. Aber auch wenn es strahlt und funkelt: Nutzer verlassen ein Produkt selten wegen der Farben, sondern wegen der Stolpersteine.

Redesigns starten komplex

Ein komplettes Makeover betrifft Navigation, Content, Logik, Technik und Support.
Bevor herausgefunden wird, was wirklich nicht funktioniert, steckt das Team schon mitten im Großprojekt. Gab es überhaupt ein Problem mit dem Content?

Ergebnisse kommen spät

Ein Redesign liefert seinen Wert erst, wenn alles fertig ist. Bis dahin ist es schwierig, belastbare Daten zu sammeln. So entsteht ein Blindflug ohne Antwort auf die wichtigste Frage.

Wird es wirklich besser? Oder nur anders?

Die größten Probleme sitzen nicht im UI

In 90 % der Fälle scheitert ein Produkt nicht am Style, sondern an:

  • …unklaren Formularen

  • …missverständlichen Labels

  • …schlechter Orientierung

  • …zu vielen Entscheidungen

  • …unnötigen Schritten

Redesigns legen zu oft einen übermäßigen Fokus auf den Look, wo das Problem von Anfang an das Feel war. 

Der alternative Weg: Kleine UX-Optimierungen mit großem ROI

Statt alles gleichzeitig über den Haufen zu werfen, zielen kleine Optimierungen genau auf die Stellen, die User frustrieren oder sogar zum Abbruch bringen. Quasi ein Redesign, aber ausschließlich von den Journey Points, die ein Redesign wirklich nötig haben.

  • Echte User Daten als Basis: Interviews, Support Tickets, Heatmaps oder Session Recordings zeigen oft mehr als fünf Monate Diskussionen. Ein kurzer Test zeigt schnel, wo Reibung entsteht.
  • Die gröten Hebel der Journey: Jede User Journey hat kritische Momente. Entschärfen Sie diese, verbessert das die gesamte UX, ganz ohne die UI neu zu erfinden. 
  • Wirkung innerhalb von Tagen statt Monaten: Kleine UX-Schritte sind schnell umgesetzt und sofort messbar. Das ist Gold wert für Teams, die Wirkung beweisen müssen, bevor Sie Budget freigeben.

Die fünf UX-Quick-Wins, die fast immer sofort Wirkung zeigen

Microcopy verbessern 

Es klingt trivial, aber oft scheitern User, weil 2 Wörter schlecht gewählt worden. Das beobachten wir häufig, da UX Copy in vielen Unternehmen nebenbei vom Dev oder Content Manager erledigt wird.

“Ist doch sowieso klar, was hier gemeint ist.” 

Das Ergebnis: Buttons kommunizieren unklar, was beim Klick passiert. Ein intern völlig logisches Label ist für Außenstehende komplett unverständlich. Oder eine Fehlermeldung, die eher Fragen erzeugt als löst.

Man merkt schnell, dass hier ein Hebel besteht, wenn User an vermeintlich simplen Stellen haken oder Support immer wieder dieselben Rückfragen erhält. In solchen Momenten zeigt sich, dass Informationen auf der Seite nicht gut verständlich werden. Das Schöne: Ein klarer Text, ein präziser Hinweis oder eine hilfreiche Fehlermeldung ist in wenigen Minuten umgesetzt.

Überflüssige Schritte im Flow entfernen

Viele Produktflüsse sind historisch gewachsen: Ein Schritt kam dazu, ein anderer wurde nie hinterfragt, ein dritter ist technisch bedingt. Irgendwann fragt sich niemand mehr, warum ein bestimmter Klick überhaupt existiert…

… bis man die Analytics betrachtet und einen unerwartet hohen Drop-off genau an dieser Stelle sieht.

Wenn User immer wieder an derselben Stelle abbrechen, ist das oft ein deutlicher Hinweis: Der Flow ist zu lang oder unnötig kompliziert. Und schon das Entfernen eines einzigen Schrittes kann spürbar beschleunigen, vereinfachen und Conversion nach oben ziehen, ganz besonders im Checkout oder Onboarding, wo jeder gesparte Klick zählt.

Inhalte klar(er) priorisieren

Ein verbreitetes Muster in überladenen Interfaces: Alles ist wichtig. Alles soll ins Auge springen. Das Ergebins? Nutzer sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Die Symptome sind deutlich: Nutzer suchen lange nach relevanten Informationen, überspringen Bereiche, die sie eigentlich lesen sollten oder stellen Fragen zu Dingen, die direkt vor ihnen stehen. Heatmaps, die zeigen, dass der Blick wild über die Seite wandert, sind ein weiterer Hinweis darauf, dass die visuelle Hierarchie nicht führt.

Oft reicht schon eine kleine Neuordnung oder eine bewusstere Gewichtung von Elementen, um Orientierung zu schaffen. Denn wenn das Relevante sichtbar wird, sinkt die kognitive Last, wodurch aus einer überladenen Seite ein klarer Weg zum Ziel wird.

CTAs logisch platzieren

CTA-Probleme liegen selten am Button selbst, sondern vielmehr am Kontext. Der CTA kann noch so gut gestaltet sein; wenn er am falschen Ort sitzt, wird er nicht genutzt. Das zeigt sich häufig in Usability Tests oder Recordings, wenn User vor Entscheidungen stocken und schlicht nicht wissen, wie es weitergeht. 

Heatmaps offenbaren oft, dass zentrale Elemente nicht gesehen werden (s. “Inhalte klar priorisieren”). Nutzer klicken überall, nur nicht dort, wo die nächste Aktion stattfinden sollte. In solchen Fällen hilft es selten, den Button größer zu machen; stattdessen sollte er genau dort platziert sein, wo User ihn vermuten würden. Denn wenn Timing, Position und Message stimmen, steigt die Conversion ganz von alleine.

Formulare optimieren

Formulare können die größten Conversion Killer sein. Viele User beginnen ein Formular ohne es abzuschließen? Klares Alarmsignal. Dabei sind es oft Kleinigkeiten: Zu viele Pflichtfelder, unnötige Detailfragen, fehlende Hilfestellungen. 

Man erkennt Optimierungsbedarf auch daran, dass Nutzer schnell nach unten scrollen, um „abzuschätzen“, wie aufwendig der Prozess wird – ein deutlicher Stressindikator. Oder daran, dass Fehlermeldungen gehäuft auftreten, die eigentlich vermeidbar wären. Schon ein gestrichenes Feld, ein smarter Hinweis oder ein automatisiertes Lookup kann den Unterschied machen. Kleine UX-Eingriffe, die eine große Hürde kleiner machen.

Warum kleine Schritte der perfekte Proof of Work sind

Für CTOs, CPOs, Product Owner und Gründer:innen gilt eine einfache Wahrheit: 

Bevor UX ein größeres Budget bekommt, muss UX erst einmal Wirkung zeigen. 

Klingt wie ein Dilemma: 

Ohne Budget keine Änderung. 

Ohne Änderung keine Wirkung. 

Ohne Wirkung kein Budget.

Genau diesen Teufelskreis ändern Sie durch kleine, richtig priorisierte Verbesserungen. Sie erfordern keinen großen Umbau, keine neue Roadmap und auch keine komplette Überarbeitung des Designsystems. 

Stattdessen liefern sie schnelle, sichtbare Ergebnisse, die Teams schwarz auf weiß belegen können.

Auch auf organisatorischer Ebene haben kleine Schritte einen Vorteil: Sie sind risikoarm und stoßen selten auf Widerstand. Jeder versteht, dass ein klarerer Buttontext oder ein verschlankter Flow sinnvoll sind. Solche Veränderungen fühlen sich nicht nurmachbar an, sondern sind es auch.

Das Entscheidende ist jedoch ihre Wirkung auf die langfristige Entscheidungsbasis: Sobald Teams sehen, dass UX tatsächlich funktioniert, steigt die Bereitschaft, strukturell zu investieren. 

Kleine Optimierungen schaffen Vertrauen in den Prozess und öffnen damit die Tür für größere, strategische UX-Initiativen.

Wann ein Redesign doch sinnvoll ist

Dieser Beitrag soll kein schlechtes Licht auf Redesigns werfen. Sie haben absolut ihre Berechtigung! Nur werden sie in vielen Unternehmen zu früh oder aus den falschen Gründen angestoßen. Es gibt klare Situationen, in denen ein umfassendes Redesign sinnvoll, manchmal sogar notwendig ist: Zum Beispiel wenn:

  • ein neues Markenbild eingeführt wird,

  • die Produktlogik komplett neu gedacht werden muss,

  • technische Schulden alles ausbremsen,

  • die bestehende Struktur nicht mehr skalierbar ist.

In solchen Fällen reicht ein kleines UX-Update nicht aus, weil sich das Fundament verändert hat.

Trotzdem beginnt ein gutes Redesign nie mit sofortigem Umwerfen der gesamten Oberfläche, sondern immer mit Klarheit darüber, was gerade funktioniert und was nicht. Und genau diese Diagnose gelingt am zuverlässigsten über kleine, gezielte UX-Schritte, bevor große Design-Entscheidungen getroffen werden. 

Wir arbeiten dafür mit dem UX Action Kit, das Teams genau diese Klarheit verschafft: Wo trägt das bestehende System? Wo besteht Reibung? Und welche kleinen Veränderungen hätten den größten unmittelbaren Effekt? 

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